Rheinland-Pfalz - Es ist still geworden um die Dose. Wer erinnert sich noch an das jahrelange Getöse um das Pflichtpfand auf Einweg-Getränkeverpackungen?
Landläufig "Dosenpfand" genannt, soll es das Mehrweg-System sichern, das als ökologisch vorteilhaft gilt. Ob es das wirklich ist, darüber streiten die Interessenvertreter bis heute (siehe Text unten).
Erreicht wurde das Ziel jedenfalls nicht, sagt Ulrich Roeske, Vorstandsvorsitzender der Rasselstein GmbH in Andernach: Die Mehrwegquote, die doch stabilisiert werden sollte, ist im freien Fall. Doch gleichzeitig wurde mit dem Pfand ein Markt komplett kaputtgemacht, wettert Roeske: Er wird immer noch laut, wenn es um das leidige Thema geht. Jährlich rund sieben Milliarden Dosen wurden im deutschen Markt zu Spitzenzeiten verkauft. Nach der Einführung des Einwegpfands brach der Absatz bis auf bescheidene 260 Millionen ein.
Im größten Weißblechwerk der Welt hinterließ das tiefe Spuren: Rasselstein musste rasch andere Märkte finden, um die Zukunft zu sichern. Und auch bei Ball Packaging im wenige Autominuten entfernten Weißenthurm brach nach der Schockstarre hektische Betriebsamkeit aus: Nach dem Quasi-Komplettausfall des deutschen Marktes half dem Dosenhersteller nur der Blick ins Ausland. Zeitweise wurde nach Angola geliefert, um die Maschinen einigermaßen auszulasten.
Doch allmählich zeichnet sich einen Renaissance der Dose auch im deutschen Markt ab. Rund 1,2 Milliarden der Gebinde werden im laufenden Jahr voraussichtlich ausgeschlürft. Wobei die Kapazität allein des Ball-Werks in Weißenthurm bei 2,2 Milliarden Einheiten liegt - fast doppelt so viel.
Die Maschinen in der Produktionshalle laufen trotzdem auf Hochtouren, schließlich hat das Unternehmen den europäischen Markt zu beackern. Aus dem Weißblech werden Ronden - runde Stücke - ausgestanzt und anschließend zu einem Napf geformt. Der wird in die gewünschte Länge gezogen, bunt bedruckt und dann beschnitten, schließlich wird der obere Rand gebördelt, damit später beim Abfüller der Deckel aus Alu Halt findet. 2000 Dosen pro Minute schaffen die Maschinen.
Ökologischer Fußabdruck schrumpft
Damit die Dose hierzulande eine echte zweite Chance bekommt, muss sie ihre Rolle als ökologisches Schmuddelkind abstreifen, das ist der Branche klar. Und sie hat sich mächtig ins Zeug gelegt, damit das gelingt. Bei Ball Packaging wurde der Energieverbrauch je 1000 hergestellten Dosen seit 2003 - da wurde das Einwegpfand eingeführt - um fast ein Drittel reduziert, die CO2-Emissionen gingen um rund ein Viertel zurück, der Wasserverbrauch um 30 Prozent.
Ein Kernpunkt auf dem Weg zu einem kleineren ökologischen Fußabdruck der Dose ist der Materialeinsatz: Je dünner das Blech, je leichter das fertige Gebinde, desto weniger Spuren hinterlässt die Fertigung. Daran arbeitet Ball nicht erst seit der lautstarken Diskussion ums Pfand. Schon 1972 wurde für 95 Millionen D-Mark ein neues Werk gebaut, um von der dreiteiligen auf die zweiteilige Dose umzustellen. Gewichtsersparnis allein dieses Schritts: 17 Prozent.
Danach folgte der Einsatz immer dünnerer Bleche - heute sind die Wandstärken haarfein, und die Materialspezialisten von Rasselstein sehen das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Bei Ball bedeutet dies: Eine 0,33-Liter-Dose ist heute um mehr als die Hälfte (56 Prozent) leichter als Mitte der 70er-Jahre.
Der zweite Kernpunkt auf dem Weg zum kleineren ökologischen Fußabdruck ist das Wiederverwerten. Die Branche ist stolz auf die enorm hohe Recyclingquote von inzwischen an die 95 Prozent. Gern wird darauf verwiesen, dass der Wert auch vor Einführung des ungeliebten Pfands schon an die 90 Prozent heranreichte. Sei dem, wie es sei: Das System hat sich bestens eingespielt.
Bei Rhenus Recycling in Essen stapeln sich im Zählzentrum die Säcke mit leeren Einweggebinden, die von den Sammelstellen zurückkommen. Flaschen aus PET sowie Dosen aus Weißblech oder Aluminium, dem anderen verwendeten Material, wandern über die Bänder. Ein Magnetabscheider pickt die Weißblechdosen heraus. Die nicht magnetischen Aludosen werden per Wirbelstrom vom Plastik getrennt: Ein Induktionsfeld sorgt dafür, dass sie an die Wand eines senkrechten Kanals knallen - während die Plastikflaschen einfach nach unten fallen.
Das Metall wird anschließend zu Briketts gepresst, im Duisburger Stahlwerk von ThyssenKrupp begegnen einem die Weißblechpakete wieder - hier bekommt die Dose ihre zweite Chance. Es geht um Schrott, ja. Aber beileibe nicht um Abfall, betont Wolfgang Volkhausen, Teamleiter Immissions- und produktbezogener Umweltschutz. Denn das Material ist ohne Qualitätsverlust beliebig oft wiederverwertbar -. "wir müssen es nur bekommen", sagt Volkhausen. Jede Tonne Schrott ersetzt 1,5 Tonnen wertvolles Eisenerz, 650 Kilogramm Kohle sowie 300 Kilo Kalkstein, die sonst für die Stahlherstellung eingesetzt werden müssten.
Techniker sind froh um den Schrott
Im Stahlwerk sind die Techniker auch deshalb froh um den Reststoff, weil er im sogenannten Konverter für etwas Kühlung sorgt. Mehr als 30 Tonnen Schrott entlädt eine gigantische Mulde dort zunächst mit lautem Krachen. Dann fährt die Pfanne mit dem flüssigen Roheisen heran - 330 Tonnen hängen an den mannshohen Haken, das Gewicht von acht voll beladenen Lkw-Sattelzügen. Ein Lichtschein in Orange erfüllt die Halle, als sich ihr Inhalt langsam auf den Schrott ergießt. Der Weg der Dose ist zu Ende und beginnt doch gleich wieder neu: Der Stahl wird in dicke Brammen gegossen, später ausgewalzt und schließlich aufgerollt - die "Coils" kommen per Zug nach Andernach, dort entsteht das Weißblech für die nächste Runde im Dosen-Kreislauf.
Also zurück an den Ausgangsort. Am Duisburger Hauptbahnhof ein kleiner Schock nach den beeindruckenden Bildern im Stahlwerk: Da liegt doch tatsächlich eine Einweg-Dose im Gleisbett. Im Zug steckt dann ein Mitfahrer seine leere Mehrweg-Bierflasche einfach in den Mülleimer. 1:1 zum Nachteil beider Systeme, solange kein Dosenpicker oder Flaschensammler vorbeikommt. Es ist wohl bei beiden Systemen entscheidend, dass sich alle Beteiligten vernünftig verhalten. In aller Stille, ganz ohne großes Geschrei.
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